Behauptung: "Die AfD ist nicht Islamfeindlich"
Fakt: Die AfD schränkt die Freiheiten muslimischer Bürger massiv ein, ohne dies umfassend zu rechtfertigen.
Diskursverschiebung Islam
31 Mal wird das Wort "Islam" im Bundestagswahlprogramm 2021 verwendet, 90 % davon im negativen Kontext, 2 Mal im Zusammenhang mit Terrorismus, während Rechtsextremismus nicht ein Mal als Problem aufgeführt wird. Einmal kommt der Begriff vor, allerdings nur als Hinweis darauf, dass es nicht nur rechtsextremen Judenhass, sondern auch muslimischen Judenhass gibt. [Q1]
Q1 AfD Wahlprogramm Bundestagswahl 2021 [Quelle]
Gefahrenüberblick Islamismus
- 0,5 % aller Muslime sind als islamistische Personenpotenziale eingestuft
Laut dem Verfassungsschutzbericht befinden sich 2023 rund 27.200 islamistisches Personenpotenzial in Deutschland [Q2]. Die Tendenz ist dabei sinkend; in den Jahren 2019 bis 2021 lag die Zahl noch bei über 28.000 [Q3].
Unter Islamismus wird oft etwas anderes verstanden. Der Verfassungsschutz sieht diesen als:
Bedrohliche „Form des politischen Extremismus“, die auf „die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“ abzielt [Q6]. „Der Islamismus postuliert die Existenz einer gottgewollten und daher "wahren" und absoluten Ordnung, die über den von Menschen gemachten Ordnungen steht.“, heißt es [Q6].
Zudem reisten seit 2011 etwa 1.150 Personen ab. Die Ausreisen nahmen nach 2015 jedoch "merklich" ab, und 40 % der Ausreisenden befinden sich wieder in Deutschland [Q4]. Wie viele sich dabei radikalisierten, geht aus dem Bericht nicht hervor. Das Problem der "ideologischen Indoktrinierung" benennt der Verfassungsschutz [Q5].

Q2 Bundesamt für Verfassungsschutz: Islamismus und islamistischer Terrorismus Zahlen und Fakten (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) [Quelle]

Q3 Bundesamt für Verfassungsschutz: Islamismus und islamistischer Terrorismus Zahlen und Fakten (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) [Quelle]

Q4 Bundesamt für Verfassungsschutz: Islamismus und islamistischer Terrorismus Zahlen und Fakten (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) [Quelle]
Q5 Bundesamt für Verfassungsschutz: Islamismus und islamistischer Terrorismus Zahlen und Fakten (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) [Quelle]
Q6 Dr. Sabine Damir-Geilsdorf (Professorin für Islamwissenschaft an der Universität zu Köln): Islamismus - Eine Einführung, Bundeszentrale für politische Bildung (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) [Quelle]
Das Kopftuch
Dem Grundsatzprogramm der AfD nach soll "Im öffentlichen Dienst soll kein Kopftuch getragen werden" konkret benannt werden alle Lehrerinnen und Schülerinnen. Die Partei beschreibt dieses als "als religiös-politisches Zeichen der Unterordnung von muslimischen Frauen unter den Mann." [Q1]

Q1 AfD Grundsatzprogramm, S. 50 (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) [Quelle]
Was besagt die Neutralitätspflicht?
Oft wird argumentiert, das Kopftuch stehe im widerspruch zur Neutralitätspflicht. Die Grundpflicht besagt aber im Kern nur, dass persönliche Interessen (wozu auch die Religion gehört) die Neutralität der Rechtsentscheidung nicht beeinträchtigen dürfen: [Q1]
§ 33 Grundpflichten - Beamtenstatusgesetz (BeamtStG)(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.
Q2 § 33 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und § 60 Bundesbeamtengesetz (BBG) (Stand: Juni 2021) [BeamtStG] [BBG]
Das Neutralitätsgebot ist also nicht die Bekleidung/das Äußere, sondern die neutrale (beim juristischen Urteil oder sachlichen Unterricht) Entscheidung. Diese wird nicht durch das abnehmen des Kopftuches verändert, sondern nur den Wille auf Korrektheit. Das "Tuch über dem Kopf" hat keinen Einfluss auf den Inhalt, sondern nur auf die Wahrnehmung.
Wenn überhaupt, dann wäre zu überlegen, ob Gläubige aufgrund ihrer Unterwerfung unter eine "höhere Macht" generell berechtigt sein sollten, Recht zu sprechen. Denn "Neutralität" kann aus reinem Zugehörigkeitsgefühl ad absurdum geführt werden:
Eine Richterin sollte eher ein Kopftuch tragen, da auch bei Minderheitenhaarfarben wie Rot ein Zugehörigkeitsgefühl entsteht. Außerdem sollte die Stimme durch KI ersetzt werden, da diese beeinflussen könnte. Richter und Lehrer sollten im Endeffekt die Angeklagten und Kinder nicht mehr sehen und echte Stimmen hören, da sie ja die Urteilenden in Recht und Noten sind und die Optik einen Einfluss hat ... das ist nicht zielführend. Es sollte nur auf Qualität geachtet werden.
Zudem herrschen in der Rechtsprechung [Q3] und im Lehrwesen [Q4] ein Mangel an Personal; zusätzliche Hürden sind da nicht förderlich.
Q3 Robert Bosch Stiftung (Deutsches Schulportal): Lehrermangel bleibt bundesweit ein großes Problem (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) [Quelle]
Q4 Deutscher Richterbund: Personalmangel in der Justiz: Was tun? (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) [Quelle]
Kopftuchverbot Zusatz: Qualität zählt vs. Frauenquote
Als Reaktion darauf, wenn man sagt, dass Qualität zählt, also die Arbeit zählt und nicht das Auftreten, wird teilweise die Thematik Frauenquote aufgegriffen und ob das nicht ein Widerspruch sei.
Hier ist es dann relevant, genau darauf aufmerksam zu machen, dass deine persönliche Freiheit beim Ausüben eines Berufs nicht eingeschränkt werden darf. Dennoch können in bestimmten machtvollen Positionen wie politischen Gremien und Firmenvorständen großer Unternehmen Quoten dazu beitragen, die Gesellschaft besser zu repräsentieren und so die Benachteiligung der Frauen (50% Anteil in der Gesellschaft) zurückzustellen.
Iranische Frauen kämpfen nicht gegen die Religion
Eine relevante Erkenntnis ist zu verstehen, dass Frauen im Iran zum Beispiel nicht gegen das Kopftuch oder die Religion kämpfen, sondern gegen den Zwang bzw. das Patriarchat. Teilweise kommt dies in Debatten zur Sprache.
Kopftuch ist Zwang? Ein Vorurteil.
- 2,04 % aller Musliminnen tragen das Kopftuch aufgrund von Erwartungen anderer - noch weniger aus Zwang
- Die Angst vor der freien Ausübung der Religion durch das Kopftuch scheint deutlich größer zu sein als der Zwang innerhalb des Glaubens, ein Kopftuch zu tragen.
Im Jahr 2019 lebten zwischen 5,3 Millionen und 5,6 Millionen Muslime in Deutschland [Q1]. Geht man von der Mitte (5,45 Mio.) aus und rechnet mit einem Frauenanteil von 50 %, so kommt man auf ca. 2.725.000 Musliminnen in Deutschland im Jahr 2019.
Von ≈ 2,7 Millionen Musliminnen tragen 70 % kein Kopftuch, 30 % tragen ein Kopftuch [Q2]. Auffallend ist auch, dass es sich vor allem um ältere Generationen handelt und das Kopftuch mit jeder Generation weniger getragen wird [Q3]. Kinder unter 10 Jahren bilden mit 0,9 % die kleinste Gruppe [Q3].
Eine Befragung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ergab, dass ca. 4,6 % das Kopftuch aufgrund von "Erwartungen" aus dem Bekanntenkreis und 4,4 % aufgrund von Erwartungen anderer tragen. Da Mehrfachnennungen möglich sind, wird der höchste Wert plus der niedrigste Wert durch zwei geteilt, um mögliche Überschneidungen auszuschließen (4,6 + (4,4 / 2) = 6,8). Etwa 6,8 % der Musliminnen, die ein Kopftuch tragen, tun dies aufgrund von Erwartungen Dritter [Q4]. Bezogen auf den Gesamtanteil der Kopftuch tragenden Musliminnen (30 %) sind dies 2,04 % (30 * 0,068).
Insgesamt tragen also 2,04 % aller Musliminnen das Kopftuch aufgrund von Erwartungen anderer - nicht aus Zwang, sondern aufgrund von Erwartungen anderer.
Interessant ist auch die Gewichtung der Gründe, warum Musliminnen kein Kopftuch tragen: 34,5 % gaben an, Nachteile in Schule/Ausbildung/Arbeit zu befürchten, 22,2 %, weil Familie/Partner es nicht gut finden, bei 16,7 % der Bekanntenkreis, immerhin 13,4 % aus Angst vor Belästigungen, Beschimpfungen [Q5]. Man kann also sagen, dass die Sorge und Angst, ein Kopftuch tragen zu können, deutlich höher ist als der seltene Zwang, ein Kopftuch tragen zu müssen.
Es muss jedoch klargestellt werden, dass religiöser Zwang, insbesondere im unmündigen Alter, nicht bestehen darf und bekämpft werden muss. Der Anteil des Zwanges wird offensichtlich überschätzt, was möglicherweise zu einer weiteren Stigmatisierung und damit zu weiteren Bedenken gegen das Tragen des Kopftuches beiträgt.
Q1 Katrin Pfündel, Anja Stichs, Kerstin Tanis, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, Studie im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz, Nr. 38, 2021, S. 37, online unter: [Quelle] (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) "im Jahr 2019 zwischen 5,3 Millionen und 5,6 Millionen muslimische Religionsangehörige"
Q2 Katrin Pfündel, Anja Stichs, Kerstin Tanis, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, Studie im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz, Nr. 38, 2021, S. 117, online unter: [Quelle] (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024) "Entsprechend trägt die deutliche Mehrheit (70 %) kein Kopftuch."

Q3 Katrin Pfündel, Anja Stichs, Kerstin Tanis, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, Studie im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz, Nr. 38, 2021, S. 118, online unter: [Quelle] (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024)

Q4 Katrin Pfündel, Anja Stichs, Kerstin Tanis, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, Studie im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz, Nr. 38, 2021, S. 121, online unter: [Quelle] (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024)

Q5 Katrin Pfündel, Anja Stichs, Kerstin Tanis, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, Studie im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz, Nr. 38, 2021, S. 122, online unter: [Quelle] (letzter Zugriff: 19. Nov. 2024)